Start
Geschäftsstelle Chemnitz
Zweigstelle Neustadt am Rübenberge
Futterhandel
Josera Hundefutter (trocken)
Infothek
=> Der grosse Schweizer Sennenhund (Julia Elling)
=> Der Schulhunde - Report (Teil 1)
=> Der umgekehrte Hund (Ádám Moklósi)
=> Die Nährstoffliste
=> Gewitter im Kopf
=> Führungskompetenztraining
=> Richtig Füttern (von Josera)
=> Spiel ist ein Hunderecht !
=> Wenn mit dem Welpen Liebe und Verantwortung einziehen
=> Fellveränderungen - und was sie auslöst
Impressum, Haftungsausschluß etc.
 

Führungskompetenztraining

Führungskompetenztraining

Den Hund verstehen, seine Bedürfnisse wahrnehmen und trotzdem das Trainingsziel nicht aus den Augen verlieren - das wünscht sich BHV Hundetrainer und Verhaltensberater Arne Winkler für seine Teams. Weil das schwieriger ist als es klingt, bietet Arne an seiner Hundeschule "Die Rudelberater" das von ihm so getaufte Führungskompetenztraining an.
Interview: Veronika Rothe

Wie ist diese Idee entstanden, und warum gibt es diese Art von Training bei Dir?

Mir ist aufgefallen, dass sich viele Leute im Training nur auf ihre Trainingsziele konzentrieren. Also, dass die Leinenführigkeit gut ist, oder dass Kommandos gut angenommen werden. Dann sind sie sehr konzentriert darauf, vermeintliche Fehler des Hundes zu verhindern - eigentlich sind es ja keine Fehler, sondern einfach nur unerwünschte Verhaltensweisen - und machen dem Hund dabei unglaublich viel Stress. Sie sind sich aber gar nicht bewusst darüber, wie sich der Hund in der Situation fühlt, oder was für Bedürfnisse er gerade hat.
Bestes Beispiel: Man kommt das erste Mal in ein Gruppentraining und der Hund hat 5 Hunde um sich herum, die gerade einmal 3 Meter von ihm entfernt sind. Er ist natürlich total aufgeregt, kann sich nicht konzentrieren und dann wollen die Leute, dass er ´Sitz´ macht. Ich fand das immer total unfair, dass von dem Hund so viel erwartet wird. Den Menschen ist es gar nicht bewusst, dass ihr Hund das gerade nicht leisten kann. Dann haben wir überlegt, wie schaffen wir dieses Bewusstsein dafür, dass der Hund Bedürfnisse in gewissen Trainingssituationen hat - und daraus ist unser Führungskompetenztraining entstanden. Führungskompetenete Menschen erkennen die Bedürfnisse derer, die sie führen, und gehen darauf entsprend ein. Und je mehr man diesen Bedürfnissen gerecht wird, umso kompetenter wird man vom Hund wahrgenommen. Das haben wir versucht, im Training umzusetzen.

Im Grunde also ganz viel Menschenschulung? Dass der Mensch lernt, was gerade in seinem Hund vorgeht und warum er so reagiert, wie er reagiert oder eben gerade nicht funktioniert?

Genau, in der ersten Stunde gibt es immer ert einmal nur Theorie für die Menschen, dann geht es in die Praxis. Fürungskompetenz kann man nicht einfach so erlangen, man muss sie beweisen. Wenn ich zu dir sage: Hallo, ich bin Arne und ich bin kompetent!, dann glaubst du mir das ja nicht einfach so. Ich kann das zwar behaupten, aber ob das wirklich so ist, muss ich dir erst beweisen. Und selbst dann entscheidest du mit deinem Empfinden, ob ich für dich kompetent bin, oder eben nicht. Und genau so machen unsere Hunde das auch. Wenn ich meinen Hund ständig an der Leine in blöde Hundebegegnungen zerre, werde ich für ihn nicht besonders begegnungskompetent werden. Und je weniger kompetent wir in den Augen unserer Hunde sind, desto mehr versuchen sie, selbstständig Lösungen zu finden, die ihrem Bedürfnis entsprechen. Das steht meist im Gegensatz zu dem, was der Mensch möchte.

Und wie coacht man Menschen am besten, kompetente Führung zu geben und für den eigenen Hund möglichst sinnvolle Entscheidungen treffen zu können?

Führungskompetenz entsteht aus Erfahrung im situativen Umgang miteinander. Das heißt, dass ich in verschiedenen Situationen Vorschläge mache und dem Hund zeige, wie man mit solchen Situationen umgeht. Geht es dem Hund nach dieser Entscheidung besser, muss er keine eigene Lösung dafür finden und nimmt die Entscheidung des Menschen dankbar an. Passiert etwas Blödes, wird der Hund beim nächsten Mal eher nicht das machen, was wir von ihm möchten.
Im Training bringen wir die Teams in verschiedene Situationen. Dort muss sich der Mensch erst einmal der aktuellen Bedürfnisse des Hundes bewusst werden. Dann geht es darum, zu schauen, wie kann ich die Bedürfnisse meines Hundes berücksichtigen, ohne dabei mein Trainingsziel aus den Augen zu verlieren? Wir können ja nicht im Allteg mit den Hunden zusammenleben und permanent deren Bedürfnisse befriedigen. Das geht nicht! Ist es aber möglich, sollten wir es möglichst tun, denn dann werden wir in den Augen unserer Hunde führungskompetenter.

Hast du uns ein Beispiel für uns?

Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Ich war mit meinem Hund im Wald an einem Wildschweingehege spazieren. Auf einmal fing mein Hund an laut zu bellen - ich hatte nicht gesehen, dass sich uns ein Wildschwein genähert hatte. Was ist das Bedürfnis des Hundes in diesem Moment? Entweder will er das Wildschwein jagen, oder er will es vertreiben. Jagen darf er es nicht, aber die Angst, aus der heraus er es vertreiben möchte, kann ich ihm nehmen. Ich entferne mich dazu erstmal vom auslösenden Reiz, damit der Hund sich beruhigen kann.
Ich vergrößere also so weit die Distanz, bis mein Hund wieder denken kann und nicht das Gefühl hat, selbst aktiv werden zu müssen in der Situation. Ich gehe so weit weg, bis der Hund sich selbstständig vom Auslösereiz wegorientieren und mich wieder ansehen kann. Erst dann kann ich meinem Hund alternative Verhaltensweisen an die Hand geben. Zum Beispiel Blickkontakt zu mir und nicht zum Wildschwein. Erst wenn das auf Distanz gut funktioniert, gehe ich wieder näher heran. Was ich häufig in Zoos und Tierparks sehe: Die Menschen stehen direkt mit ihren Hunden am Zaun, der Hund läuft Amok und sie versuchen ständig das Verhalten abzubrechen. Das funktioniert nicht!

Bevor ich "sinnlos draufhaue", sollte ich also erst einmal überlegen: Was ist hier gerade los? Warum macht mein Hund das? Welches Bedürfnis liegt im Zweifel zu Grunde? Und wie kann ich reagieren, um den Hund so aus der Situation zu holen, dass er sich besser fühlt?

Genau! Wir bauen das so auf, dass wir erst einmal klären, wie Führungskompetenz überhaupt funktioniert. Die erste Einheit auf dem Hundeplatz ist mit einer Art Agility-Geräten. Die sind nur etwas breiter und etwas massiver. Da gehen wir in der ersten Stunde drüber und - auch total wichtig - die Menschen lernen, wie man vorgeht, wenn man Hunden Dinge beibringen will, die sie von sich aus niemals machen würden.
Denn genau das machen wir ja im Hundetraining immer. Wir verlangen ganz oft Dinge, die der Hund von sich aus niemals machen würde. Würde er es von sich aus tun, müssten wir es ja nicht trainieren ... Beim Tierarzt auf die Waage gehen z.B.  Der Hund würde niemals zum Tierarzt reingehen und denken: ´Joa das ergibt Sinn, sich hier erstmal zu wiegen, dann wissen die, wieviel Wurmkur ich brauche.´ Und dann zerren die Menschen die Hunde auf die Waage drauf und die Hunde haben ein riesengroßes Fragezeichen und denken sich: `Warum denn nur?!´
Dieses Verständnis üben wir an besagten Geräten. Wir haben da einen Steg, und dann frag ich die Leute immer ganz gerne: Wenn ihr jetzt die Leinen abmachen würdet, welcher Hund würde auf diesen Steg gehen? Die meisten sagen: `Keiner!´ Dann sage ich: Wenn hier oben ein Häschen draufsitzen würde und ihr würdet die Leinen abmachen, welcher Hund würde dann da rauf gehen? und da sagen alle: `Meiner!´ Und warum? Weil´s Sinn ergibt! Wenn wir also wollen, dass unsere Hunde Dinge tun, die sie von sich aus nicht tun würden, müssen wir der ganzen Sache einen Sinn geben. Wir brauchen also eine Belohnung, die für Dopaminausschüttung sorgt. Das klappt am besten mit Futter. Besonders im Gruppentraining ist Futter ideal, da möchte ich keine fliegenden Bälle haben, weil das Auswirkungen auf alle Teilnehmenden haben würde.
Dann geht es darum, trotzdem die Führungskompetenz zu beweisen. Wenn wir den Hund mit Futter locken, um ihn dazu zu bringen etwas zu tun, müssen wir uns vorher darüber Gedanken machen, dass das, was der Hund tun soll, für ihn auch gut ausgeht. Wackelt die Waage beim Tierarzt zu sehr und wir legen Futter drauf, kann es sein, dass der Hund beim draufgehen erschrickt. so wirken wir beim Hund nicht kompetent, denn wir bringen ihn in eine unangenehme Situation. Wir dürfen den Hund niemals in eine Falle locken. Wir müssen den Hund darauf aufmerksam machen, dass die Waage wackelt, locken ihn also z.B. nur ein kleines Bisschen darauf, sodass er das Wackeln wahrnehmen kann und nicht erschrickt.
Oft wird außerdem das Leckerli vor der Hundeschnauze weggezogen. Da wird der Hund nicht viel Spaß haben. Das ist in etwa so, wie diese Witzbolde, die dir die Hand reichen, und wenn du sie greifen willst, ziehen sie die Hand weg. Wie oft gibst du dem noch die Hand? Deswegen sag ich immer: Gebt das Lekerli oder legt das Leckerli auf den Gegenstand. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wenn wir im Trainingsprozess sind, sollten wir dem Hund eine Abbruchmöglichkeit geben. Locken wir den Hund z.B. auf den Steg und der Hund mekt plötzlich: `Hilfe, ich steh hier schräg auf einer offenen Treppe, das geht doch gar nicht!´ und will aus der Situation raus, dann darf er runterspringen! Wir dürfen niemals die Notausgänge zumachen. Der Hund sollte nicht die Erfahrung sammeln: `Wenn ich mich auf das Locken meines Menschen einlasse, kann es sein, dass ich in einer ganz gruseligen Situation lande, aus der ich nicht mehr herauskomme.´ Dann wird er sich beim nächsten Mal ganz genau überlegen, ob es eine gute Idee ist auf unser Locken einzugehen oder nicht. Wenn Hunde die Erfahrung sammeln, dass sie selber gehen können, wenn es ihnen zu viel wird, dann wird das zu einem großen Motivator für die Mitarbeit. Die Hunde werden mutiger und stürzen sich direkt in einen neuen Versuch.

Danke dafür! Das war eine schöne Erklärung, warum Futter im Training so sinnvoll ist und auch noch einmal der Blick dafür, was wir unseren Hunden eigentlich alles abverlangen!

Stell dir mal vor ich möchte jetzt, dass du die ganze Stunde auf allen Vieren über den Platz krabbelst. Was müsste ich dir geben, damit du das tust? Das wird teuer ... und selbst wenn ich dir das gebe, was du willst, wird es dir unheimlich schwer fallen, eine ganze Stunde durchzuhalten. Weil es artunüblich ist! Selbst wenn du es willst, ist es total schwierig, artunübliche Verhaltensweisen aufzubauen. Dieser Punkt wird oft vergessen.
Leinenführigkeit ist total schwierig, da es ein artunübliches Verhalten ist. Und dann fordern das die Leute dauernd. Und dann werden die Knie wund, irgendwann geht gar nichts mehr und du denkst dir: `Damit fang ich erst gar nicht wieder an, denn ich fühl mich danach sehr unwohl.´

Muss ich für jeden Hund einzeln führungskompetent werden?

Ja! Denn jeder Hund bringt andere Ängste und Bedürfnisse mit. Das Führungskompetenztraining, wie wir es jetzt machen, hat angefangen durch ganz viel Arbeit mit Tierschutzhunden. Da hast du Hunde, die kommen mit größeren und kleineren Päckchen, und mir ist aufgefallen: Ich kann diesen Hund jetzt gar nicht trainieren, weil der so ein Problem mit mir hat, weil er von mir erwartet, dass mit mir genau der gleiche Mist passiert, wie mit den anderen Zweibeinern, die er in seinem Leben getroffen hat. Da muss ich dem Hund erstmal klarmachen, dass von mir keine Gefahr und keine Bedrohung ausgeht und auch nichts passiert, was der Hund doof findet. Bei der Arbeit mit Tierschutzhunden habe ich angefangen, mir ihrer Bedürfnisse bewusst zu werden. Anders wäre die Arbeit mit ihnen gar nicht möglich. Und dann kam der Gedanke: Warum machen wir das eigentlich nur mit den stark traumatisierten Tierschutzhunden so? Das macht das Leben von allen anderen Hunden ja auch leichter! Inzwischen ist es so, dass alle Hunde, die bei uns ins Training starten - bevor es in die Grundausbildung oder andere Trainingseinheiten geht - Führungskompetenztraining machen. Es fangen also alle nach den Junghunden mit Führungskopetenz an. Je gerechter du den primären Bedürfnissen deines Hundes wirst, desto schneller funktioniert dein Training.

Im Grunde geht´s ja auch viel um Vertrauen, dafür die richtigen Entscheidungen für seinen Hund zu treffen und um einen Hund der sagt: "Ok, ich nehme den Lösungsansatz meines Menschen an, denn dann geht es mir besser!"

Ja, und manchmal muss man seinen Hund zwingen, das richtige zu tun - aber nicht zu etwas zwingen, was die Hunde gruselig finden und nicht verstehen. Das wäre falsch! Einen Hund zu zwingen, ruhig sitzen zu bleiben, während andere Hunde auf ihn draufballern, wäre z.B. komplett falsch. Aber einen Hund an der Leine wegziehen, wenn er aggressiv einen anderen Hund anbellt, und die Distanz vergrößern, das können wir tun, denn wir zwingen den Hund zu etwas, das ihm dann guttut. Es braucht einen positiven Effekt. Manchmal muss man zum Glück gezwungen werden, aber dann muss auch Glück hinten bei rauskommen!

Also, wenn ein Freund mich z.B. zum Joggen zwingt und ich hab´ überhaupt keinen Bock, danach geht´s mir aber besser ...

Genau! Es darf nur nicht passieren, dass dir dann richtig übel wird. Wenn du gezwungen wirst und fühlst dich danach gut - dann funktioniert´s! Wenn es dir aber zu viel ist und du dich übergeben musst, und du fühlst dich danach schlechter als vorher, ist das nicht gut. Es geht um das Glück des Gezwungenen und nicht um den, der zwingt!
(DER HUND 3/24; Seiten 25, 26 und 27)