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Der grosse Schweizer Sennenhund (Julia Elling)

Großer Schweizer Sennenhund: Ruhiger Schnüffler und ...
                                                                                                                                                                                       

ALLROUNDER AUS DEN ALPEN

DER GROSSE SCHWEIZER SENNENHUND

 
Er verbindet Größe mit Beweglichkeit, tiefenentspannte Gelassenheit mit Temperament und rustikale Herzlichkeit mit einem feinen Gespür für Menschen und Situationen. Als überzeugter Familienfreund hat er sich die Qualitäten eines Arbeitshundes bewahrt. Warum der Große Schweizer Sennenhund "Pferd des kleinen Mannes" genannt wurde und noch mehr Spannendes - jetzt im Pertrit von DER HUND !
 
Der Busfahrer verstand Cessys verschmitzt-herausfordernden Blick sofort und nickte amüsiert. Ein Wettrennen! Die Ampel sprang auf Grün, der Motor brummte, und daneben stemmte sich der muskulöse Vierbeiner freudig ins Geschirr seines Wagens. "Ein Großer Schweizer Sennenhund zieht einen Hundewagen - je nach Gewicht - mit etwa 10 bis 15 Kilometern pro Stunde", erklärt Susanne Preuß. Sie arbeitet seit rund 50 Jahren mit Sennenhunden und ist erste Vorsitzende des Begleit- und Zughundeverein Berlin e.V., dem ältesten Zughundeverein Deutschlands.
In diesem Fall zog Cessy ihr Frauchen Susanne: Wie jede Woche ging es zu ihrem Hundeplatz. Die vollmotivierte Hündin gab Gas und war mit rund 20 km/h vor dem Bus an der nächsten Haltestelle - gewonnen! Der Fahrer verabschiedete sich fröhlich winkend. Wieder einmal hatten Susannes Tiere jemanden den Tag versüßt. "Anders als beim Schlittenhundesport geht es bei uns nicht um Schnelligkeit. Ein Zughund vor der Hundekutsche bewegt schwere Lasten präzise durch das Gelände."
Eine traditionsreiche Tätigkeit, die einst ein unverzichtbarer Bestandteil von Landwirtschaft und Handel war. Obwohl der technische Fortschritt die Hundewagen verdrängte, haben sie heute noch einen praktischen Nutzen: Susannes selbst gezüchteter Berner Sennenhund Ambro war Diensthund in den Berliner Forsten, wo er - teils selbstständig - Müll, Holz, Jungbäume und Werkzeuge mit bis zu 150 kg Wagenlast zu ihm bekannten Orten quer durch den Wald transportierte. Mittlerweile ist Susanne auf Große Schweizer umgestiegen. Als Hundetrainerin hat sie sich auf die Ausbildung von Zughunden spezialisiert und das Buch "Der Zughund - einst und jetzt" geschrieben.
Darin setzt sie sich auch mit der Historie auseinander und hat viele spannende Fakten recherchiert. Hätten Sie gewusst, dass in Deutschland noch im Jahr 1900 rund 150.000 Karrenhunde im Einsatz waren? Die ersten Verkehrsregeln wurden außerdem nicht für Autos oder Pferdekutschen entwickelt, sondern für Hundewagen! Auch persönliche Anekdoten hat Susanne auf Lager. "Sennenhunde sind Arbeitshunde. Sie beobachten ihre Umgebung und ziehen daraus ihre Schlüsse. Auf diese Weise suchen sie sich eine Aufgabe und führen sie dann weitgehend eigenständig aus." Als Susanne einmal mit ihrer kleinen Tochter auf einer vielbefahrenen Berliner Straße vom Rad stürzte, sicherte Ambro blitzschnell die Kreuzung ab. "Er lief souverän von Auto zu Auto und signalisierte den Fahrern, dass etwas passiert war und sie stehenbleiben sollten - und die Leute verstanden sofort." Erst als sein Frauchen mit der Kleinen in Sicherheit war, ließ Ambro die Autofahrerwieder starten.

Pferd des kleinen Mannes

Der große Schweizer ist der größte der 4 Sennenhunde, zu denen auch der Berner, Appenzeller und Entlebucher Sennenhund gehören. Ihre Vorfahren waren stämmige Bauernhunde, die in den Alpen jahrhundertelang Rinder von den Almen trieben, Herden vor Raubtieren schützten, Haus und Hof bewachten und mit Kannen beladene "Milchwägeli" zum Markt zogen. Da auch die einfache Landbevölkerung sich solche Zughunde leisten konnte, galten sie als die Pferde des kleinen Mannes.
Wie alle Arbeitshunde wurden auch diese Tiere fast ausschließlich nach der körperlichen und geistigen Eignung für ihr Einsatzgebiet gezüchtet.
Daher waren sie in verschiedenen Größen, Typen und Farbschlägen anzutreffen - nicht nur im heute vom standard vorgeschriebenen Schwarz mit rot-braunem Brand und weißen Abzeichen. Der Körperbau des Großen Schweizer Sennenhundes ist jedoch weiterhin perfekt dafür geeignet, einen beladenen Wagen zu ziehen - die richtige Ausrüstung und Ausbildung vorausgesetzt.
Sascha und seine Frau hielten über 30 Jahre Hovawarte und Rottweiler, bis sie vor 6 Jahren während eines Urlaubs einen traditionellen Almabtrieb erlebten. "Es waren auch Berner und Große Schweizer Sennenhunde dabei, die Karren mit Milchkannen und Blumen zogen. Wir kamen mit den Bauern ins Gespräch und waren fasziniert von der Kraft und Sicherheit, die diese Hunde ausstrahlten." Ihr erster Rüde Malu wurde auf Ausstellungen so hervorragend bewertet, dass sie beschlossen, sich der Zucht zu widmen. Nach Malu zog Erin ein. "Sie ist eine kommunikative Hündin und hat ihren Rüden gut im Griff", erzählt Sascha lächelnd.
Der Schweizer Sennenhund-Verein für Deutschland, dem die Kemper-Dicks angehören, bemüht sich mit einer ausgefeilten Zuchtstrategie um den Erhalt von Gesundheit und genetischer Vielfalt. Da der Genpool historisch bedingt recht klein ist, gibt es strenge Auflagen bezüglich der Inzuchtrate. Zuchthunde werden auf HD, ED und OCD sowie verschiedene Augenerkrankungen untersucht. Rüden erhalten die Zuchtzulassung für eine limitierte Wurfzahl und dürfen erst nach Begutachtung der Nachzucht erneut eingesetzt werden. Die HD-Röntgenrate ist sehr hoch und eine umfangreiche Datenbank mit fundierten Zuchtwertschätzungen hilft dabei, Verpaarungen optimal zu planen.
Malu und Erin haben sich 2023 nicht nur für die legendären Crufts in Birmingham qualifiziert - Erin belegte sogar den zweiten Platz und Malu wurde Reservechampion. "Das ist ein echter Ritterschlag. Malu hat gespürt, dass es eine besondere Veranstaltung ist, und sich richtig ins Zeug gelegt. Er und Erin haben die Ausstellung und die Reise nach England unglaublich souverän gemeistert. Große Schweizer lassen sich durch nichts erschüttern und vertrauen ihren Menschen blind, wenn sie eine gute Bindung haben."

Fels in der Brandung

Eine weitere Eigenheit ist charakteristisch für den gutmütigen Riesen: Während er beim Spiel mit Seinesgleichen gern die Muskeln spielen lässt, zeigt er im Umgang mit Kindern oder Senioren seine sanfte Seite. "Unsere Hunde merken, ob jemand Kontakt möchte oder nicht, und passen sich an. Deshalb haben Fremde meist wenig Berührungsängste, obwohl die Tiere so groß und größtenteils schwarz sind." Auch das feinfühlige Wesen verdankt der einstige Alpenbewohner seiner Herkunft: Es war meist die Aufgabe von Jungen oder Frauen, die Hunde anzuspannen und mit ihnen Waren zu transportieren. Daher wurden kräftige, genügsame und leicht führbare Tiere bevorzugt.
Ein feines Gespür für Menschen zeichnet auch Claudia Jungreithmeiers Eni aus - und machte sie zu einer wunderbaren Schulhündin. mittlerweile ist Eni 23, ein ungewöhnlich hohes Alter für Große Schweizer, die eine Lebenserwartung von durchschnittlich 10 bis 12 Jahren haben. "Natürlich genießt Eni jetzt ihren Ruhestand. Aber bis zum Alter von 9 Jahren war sie eine wichtige Sozialpartnerin für die Kinder", erklärt Claudia, die in Oberösterreich Lehrerin ist. Sie setzte sie unter anderem im Rahmen von Klassenarbeiten und Sozialstunden ein. Eni aportierte Vokabelkarten und spendete moralische Unterstützung. "Sie spürt, wenn jemand Stress hat - selbst bei stillen Kindern, die ihre Gefühle nicht nach außen trugen. Diese Kinder zeigte sie mir an, sodass ich ihnen meine Aufmerksamkeit widmen konnte. Gleichzeitig wirkte sie selbst durch ihre ruhige Präsenz entspannend." Für ihre Arbeit mussten Eni und Claudia eine Prüfung am Messerli-Institut (Vetmeduni Wien) ablegen, danach wurde routinemäßig jedes Jahr die Einsatzfähigkeit gecheckt. Claudias jüngere Hündin wäre für diesen Job nicht geeignet, berichtet Claudia: "Stella hat ein ganz anderes Temperament. Sie liebt das Trailen und gibt dabei immer Vollgas."

Beschützer mit Charakter

Mit beiden Hündinnen war bzw. ist Claudia im Hundesport aktiv. "Unterordnung war nicht Enis Lieblingsdisziplin. Sie hatte wenig Lust, sich hinzusetzen, wenn sie wusste, dass ich sie ohnehin gleich wieder abrufe." Ein Großer Schweizer möchte eben den Sinn seiner Aufgabe verstehen, bevor er darüber nachdenkt, sie auszuführen. "Das ist typisch", erklärt auch Rasseexpertin Susanne Preuß. "Stupide Wiederholungen sind für diesen Hund ein Graus. Beim ersten Mal wird er einen Ball noch apportieren. Aber schon beim zweiten Mal wird er dich anschauen, als wolle er sagen: Wenn du den Ball nicht haben möchtest, dann wirf ihn in den Mülleimer - ich hole ihn ganz bestimmt nicht nochmal!"
Bei einem so imposanten Hund - Rüden bringen immerhin gut und gern 50 kg auf die Waage - ist eine einfühlsame, konsequente und rassegerechte Erziehung besonders wichtig. Dank eines strukturierten Medical Trainings wird sich der Kraftprotz zudem bereitwillig pflegen und behandeln lassen. "Meist läuft das Training mit dem Welpen richtig gut. Dann kommt die Pubertät und die Hunde erinnern sich an nichts mehr.
Erst mit etwa 3 Jahren sind sie fertig entwickelt - so lange muss man durchhalten", erklärt Züchter Sascha und schmunzelt.
Die Mühe wird belohnt: mit einem Hund, der zwar seinen eigenen Kopf hat, aber äußerst menschenbezogen ist, Schmuseeinheiten liebt - und stets die Nerven behält und überlegt, was zu tun ist. "Malu hat einmal durchs Wintergartenfenster beobachtet, wie meine Schwiegermutter nebenan stürzte, und hat uns sofort Bescheid gegeben", erzählt Sascha. Susannes Hunde entdeckten kürzlich Einbrecher im Kleingarten-Bungalow ihrer Tochter. "Große Schweizer sind äußerst wesensfest und weder aggressiv noch Kläffer - das haben sie nicht nötig. Mit ruhiger Autorität haben sie die Eindringlinge gestellt und einmal tief gebellt, um die Fronten zu klären und mich zu informieren." Auftrag ausgeführt, wollten sie wohl sagen - echte Arbeitstiere eben.
 
⇒ Berner und Großer Schweizer Sennenhund

Eine wichtige Rolle in der Entwicklung des großen Schweizer Sennenhundes spielte der Schweizer Kynologe Albert Heim. 1908 entdeckte er auf einer Hundeausstellung einen kurzhaarigen Berner Sennenhund, damals noch als "Dürrbächler" Hund bezeichnet. Er erkannte in ihm einen eigenen, fast ausgestorbenen Landschlag und ermunterte seine Halter, die Linie fortzuführen. Dieser Rüde gilt als Stammvater des Großen Schweizers und diente als Vorlage für den ersten Standard. Die Rasse erreichte aber nie die Verbreitung ihres langhaarigen Verwandten, der in der VDH-Welpenstatistik rund dreimal höhere Zahlen verbucht. Heute unterscheiden sich die beiden Rassen in Größe, Körperbau und Wesen.

⇒ Vereinsinfo

Schweizer Sennenhund-Verein für Deutschland e.V. (SSV)
→ www.ssv-ev.de

Begleit- und Zughundeverein Berlin e.V.
→ www.zughund1.de
(DER HUND 3/24; Seite 18, 19 und 20)